Worum geht es in dem Urteil?
Der vorliegende Fall (Urteil vom 14.11.2025, Az. 11 Ca 3035/25) beschäftigt sich mit datenschutzrechtlichen Ansprüchen des Bewerbers gegenüber einem Unternehmen im Zusammenhang mit einem Bewerbungsverfahren. Nachdem der Kläger sich auf eine ausgeschriebene Stelle beworben hatte, kam es zu Verzögerungen und Kommunikationsschwierigkeiten im Bewerbungsprozess. Trotz mehrerer Nachfragen erhielt er nach eigener Darstellung weder eine rechtzeitige noch eine vollständige Rückmeldung über den Eingang und die Bearbeitung seiner Bewerbungsunterlagen. Nachdem er dann eine Absage erhielt, verlangte er eine umfassende datenschutzrechtliche Auskunft gemäß Art. 15 DS-GVO sowie eine Datenkopie und die einschlägigen Ablehnungsgründe, um die Gründe für die Absage zu verstehen. Das Unternehmen forderte den Bewerber auf, einen Identitätsnachweis zu erbringen. Der Kläger wies das Identifizierungsbegehren auf Grundlage von Art. 12 Abs. 6 DS-GVO zurück. Art. 12 Abs. 6 DS-GVO erlaubt einem Verantwortlichen nur dann zusätzliche Informationen zur Bestätigung einer betroffenen Person anzufordern, wenn konkrete und nachvollziehbare Zweifel an dessen Identität bestehen. Bei Bewerbern kann ein solcher Zweifel jedoch nicht angenommen werden.
Der Kläger sah darin eine Verletzung seiner Betroffenenrechte und machte einen immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 DS-GVO geltend, welchen er mit einem Kontrollverlust über seine personenbezogenen Daten und der Einschränkung seiner Auskunftsrechte begründete. Er warf dem Unternehmen außerdem Verstöße gegen Art. 15 DS-GVO und Art. 14 DS-GVO vor und verlangte weiterhin die vollständige Auskunft.
Das Unternehmen als Beklagte wies dies unter Hinweis auf Identitätszweifel und einen vermuteten Rechtsmissbrauch gem. Art. 12 Abs.5 DS-GVO zurück. Zur Begründung verwies sie auf widersprüchliches Klägerverhalten, fehlendes echtes Beschäftigungsinteresse und dessen angeblich systematische Geltendmachung von DS-GVO-Ansprüchen in zahlreichen Verfahren. Zusätzlich machte das Unternehmen organisatorische Gründe für die Verzögerungen geltend und verwies darauf, dass der Bewerber bei der Identitätsprüfung nicht mitgewirkt habe.
Wieso und Wie hat das Arbeitsgericht über diesen Fall entschieden?
Im Zentrum der Klage stehen somit die Fragen, ob ein wirksames Auskunftsverlangen bestand, ob die Beklagte ihre Pflichten aus der DS-GVO verletzt hat und ob der Bewerber einen ersatzfähigen immateriellen Schaden erlitten hat. Das Gericht prüfte dabei folgende Aspekte:
Wirksames Auskunftsverlangen
Ein wirksames Auskunftsverlangen liegt vor, wenn die betroffene Person eine Auskunft nach Art.15 DS-GVO begehrt, ihre Identität für den Verantwortlichen eindeutig feststellbar ist, das Begehren hinreichend bestimmt formuliert wurde und keine Ablehnungsgründe nach Art.12 Abs.5 DS-GVO entgegenstehen. Da ein solcher Antrag formfrei gestellt werden kann, genügt jede Erklärung, aus der sich das Begehren auf Auskunft über die verarbeiteten personenbezogenen Daten ergibt. Im vorliegenden Fall stellt das Gericht fest: Dass das Unternehmen verpflichtet war, innerhalb eines Monats auf den Antrag zu antworten. Da sie dies nicht getan haben, lag schon bereits hier ein Verstoß gegen Art.15 Abs.2 DS-GVO in Verbindung mit Art.12 Abs.3 DS-GVO vor.
Pflichtverletzungen aus der DS-GVO
Unzulässiges Verlangen eines Identitätsnachweises (Art. 12 Abs. 6 DS-GVO)
Besonders kritisch sah das Gericht die nachträgliche Aufforderung, einen zusätzlichen Identitätsnachweis einzureichen. Diese Möglichkeit besteht zwar grundsätzlich, aber nur bei begründeten Zweifeln. Solche Zweifel konnte das Unternehmen hier jedoch nicht darlegen. Der Bewerber hatte dieselbe E-Mail-Adresse genutzt wie im Bewerbungsprozess, die Kommunikation war damit bereits etabliert. Dies reichte dem Gericht aus, sodass ein separater Identitätsnachweis unnötig und unverhältnismäßig sei und letztlich eine Verzögerung der Auskunft darstellte. Die Norm ist eng auszulegen, deswegen ist der Nachweis unzulässig, wenn:
- die Identität bereits feststeht oder unschwer festgestellt werden kann
- wenn sich der Verantwortliche auf bloße Vermutungen stützt
- mildere Mittel ausreichen würden
- das Verlangen der Verzögerung oder Vereitelung dient.
- sichere Kommunikationskanäle bereits eine Identifizierung leisten
- das Verfahren unverhältnismäßig ist
- das Identitätsverlangen selektiv oder aus sachfremden Gründen erfolgt
Fehlende Informationspflichten (Art. 14 Abs. 1-4 DS-GVO)
Das Unternehmen hat über den Bewerber nach eigenen Aussagen im Internet recherchiert und hätte diesen darüber informieren müssen.
Unzutreffende Berufung auf Rechtsmissbrauch (Art. 12 Abs. 5 DS-GVO)
Das Unternehmen berief sich auf eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Auskunftsrechts durch den Bewerber. Insbesondere läge seine Motivation für das Auskunftsersuchen sowie die Weigerung seine Identität weiter nachzuweisen in der erhaltenen Absage und nicht darin, seine tatsächlichen Datenschutzrechte auszuüben. Die Argumentation des Unternehmens sah das Gericht als rechtlich nicht begründet und unhaltbar an, wodurch sie selbst eine Pflichtverletzung darstellt. Ein Rechtsmissbrauch im Sinne von Art.12 Abs.5 DS-GVO liegt vor, wenn das Auskunftsersuchen offensichtlich zweckwidrig, exzessiv oder schikanös ist. Detailliert bedeutet dies:
- Zweckwidrig: völlig losgelöst von personenbezogenen Daten.
Exzessiv: Das Adjektiv „exzessiv“ bezeichnet etwas, das über das gewöhnliche oder vernünftige Maß hinausgeht oder das erwünschte oder zulässige Maß überschreitet (EuGH Urteil vom 09.01.2025, C416/23). Eine große Zahl an Anfragen, bedeutet nicht gleich, dass die Voraussetzungen für einen Rechtsmissbrauch vorliegen.
Beispiel für mögliches exzessives Verhalten: Ein Betroffener reicht mehrere identische Beschwerden über denselben Verantwortlichen in kurzen Abständen ein, ohne dass sich die zugrunde liegenden Tatsachen verändert haben.
- Schikanös: Wenn der Betroffene beleidigt, destruktiv agiert oder Anfragen zur Schädigung stellt.
Verstoß gegen das Transparenzgebot (Art. 5 Abs.1 lit. a DS-GVO)
Das Unternehmen kommunizierte zudem widersprüchlich, unklar und verzögert. Das Gericht wertet dies als Verletzung des Grundsatzes: Transparenz, faire Verarbeitung und Nachvollziehbarkeit der Abläufe.
Haftung
Der Bewerber hat aufgrund der vorliegenden Pflichtverletzungen einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 Abs.1 DS-GVO. Das Unternehmen haftet als Beklagte wegen Mehrfachverstößen gegen Art.12 Abs.3, 5, 6 DS-GVO, Art. 14 DS-GVO, Art. 15 DS-GVO, Art.5 Abs.1 lit. A DS-GVO. Die Haftung ist verschuldensunabhängig, es genügt ein objektiver Verstoß. Der Kläger haftet nicht, da das Auskunftsersuchen sein gesetzliches Recht ist. Selbst eine konfliktfreudige Rechtswahrnehmung begründet keine Haftung, weswegen die Widerklage auf Ersatz der Anwaltskosten keinen Erfolg hat.
Handlungsempfehlung
- Einrichtung eines standardisierten Verfahrens zur Bearbeitung von Betroffenenanfragen (Art. 12 Abs.3 DS-GVO): Beschränkung von Identitätsprüfungen auf Fälle mit konkreten und begründeten Zweifeln (Art.12 Abs.6 DS-GVO).
- Vollständige Erfüllung der Auskunftspflichten (Art. 15 DS-GVO).
- Beachtung der Informationspflichten bei Datenerhebung aus Drittquellen (Art. 14 DS-GVO): Wenn personenbezogene Daten nicht unmittelbar bei der betroffenen Person, sondern aus Drittquellen erhoben werden.
- Zurückhaltung beim Einwand des Rechtsmissbrauchs: Anforderungen an dessen Darlegung und Nachweis sind sehr hoch. Eine unberechtigte Ablehnung begründet zudem erhebliche Haftungsrisiken.
- Transparente und konsistente Kommunikation (Art.5 Abs. 1 lit. a DS-GVO).
- Dokumentation und Nachweisführung (Art.5 Abs.2 DSGVO): Nach Art.5 Abs.2 DS-GVO obliegt dem Verantwortlichen die Rechenschaftspflicht. Unternehmen sollten daher sämtliche Arbeitsschritte eines Auskunftsersuchens (Eingang, Prüfung, Fristverlängerung, Korrespondenz, Ergebnis) nachvollziehbar dokumentieren. Dies dient der internen Compliance als auch der Verteidigung in gerichtlichen Verfahren.
Fazit
Das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf verdeutlicht, dass Verpflichtete bei der Bearbeitung von Auskunftsersuchen weder formale noch organisatorische Verzögerungen vorschalten dürfen. Identitätszweifel müssen substanziell begründet sein. Eine rechtzeitige, vollständige und transparente Auskunft ist zwingende Pflicht des Verantwortlichen. Unternehmen, die diese Vorgabe nicht beachten und entsprechende interne Prozesse implementieren, reduzieren nicht nur ihr Haftungsrisiko, sondern stärken zugleich die datenschutzkonforme Ausgestaltung ihres Bewerbungs- und Personalwesens.





























































































































