Im Gegensatz zu einem Urteil verkündet das Gericht dann einen Hinweisbeschluss, wenn die Sache noch nicht abschließend geklärt ist und noch weitere Beweise beigebracht werden können. Davon wird in der Regel dann Gebrauch gemacht, wenn das Gericht der Meinung ist, dass die Parteien eine Rechts- oder auch Tatsachenfrage nicht gesehen oder missverstanden haben. Im folgenden Blogbeitrag wird insbesondere darauf eingegangen, ob der Beschluss so zu verstehen ist, dass der Widerruf einer Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a, Art. 7 Abs. 3 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) nicht immer möglich ist. Kurzer Vorgriff: Der Widerruf nach der DS-GVO ist weiter wie gewohnt möglich. Warum, erfahren Sie weiter unten.
Hintergrund
In einem aktuellen Rechtsstreit klagt ein Unternehmer gegen die Betreiberin eines YouTube-Kanals auf Unterlassung der Verbreitung von vier Videos, die ihn zeigen.
Die Videos wurden während einer früheren geschäftlichen Zusammenarbeit zwischen den beiden Parteien produziert. In diesen Aufnahmen spricht der Kläger über seine beruflichen Erfahrungen und Ansichten u.a. bezogen auf den Führungsstil. Die Beklagte veröffentlichte die Videos auf ihrem YouTube-Kanal, um ihr Unternehmen und ihre Dienstleistungen zu bewerben.
Der Kläger hatte anfangs der Veröffentlichung zugestimmt und eine entsprechende Erklärung unterzeichnet, die eine dauerhafte Nutzung seines Bildmaterials erlaubte, wobei das Gericht auch eine konkludente Einwilligung in den Videos erkennen konnte, und diese gelten lassen würde (Rn. 29). Nach einer späteren Veränderung seiner persönlichen und beruflichen Umstände entschied sich der Kläger jedoch, seine Zustimmung zurückzuziehen und forderte die Beklagte zur Entfernung der Videos auf. Da diese der Aufforderung nicht nachkam, brachte der Kläger den Fall vor Gericht.
Entscheidung des Gerichts
Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz kündigte in seinem Hinweisbeschluss (https://www.itm.nrw/wp-content/uploads/2024/08/OLG-Koblenz-vom-31.07.2024.pdf) an, dass die Berufung des Klägers wenig Erfolgsaussichten habe. Es stellte klar, dass die einmal erteilte Einwilligung nach § 22 KunstUrhG grundsätzlich verbindlich sei und nur unter bestimmten engen Voraussetzungen widerrufen werden könne. Solche Voraussetzungen, insbesondere das Vorliegen eines triftigen Grundes für den Widerruf, sah das OLG in diesem Fall nicht erfüllt. Auch die Behauptung des Klägers, seine persönliche Situation habe sich so verändert, dass er nun in Konkurrenz zur Beklagten stehe, reiche aus Sicht des Gerichts nicht aus, um den Widerruf zu rechtfertigen.
Zuvor wies das Landgericht (LG) Koblenz die Klage des Klägers ab und entschied, dass er keinen Anspruch auf Unterlassung oder Löschung der streitgegenständlichen Videos habe. Der wesentliche Grund dafür war, dass der Kläger nach Auffassung des Gerichts eindeutig in die Verbreitung der Videos eingewilligt hatte.
Rechtliche Einordnung des Hinweisbeschlusses
Beruht eine Verarbeitung personenbezogener Daten (hier u.a. Name und Aufnahmen des Klägers) auf einer Einwilligung gem. Art. 6 Abs 1 lit. a DS-GVO, so steht der betroffenen Person das Recht zu, diese Einwilligung zu widerrufen, Art. 7 Abs. 3 DS-GVO. Es mag der Anschein entstehen, dass der Hinweisbeschluss nun im Widerspruch zur DS-GVO stünde, weil hier der Widerruf der konkreten Einwilligung als nicht möglich angesehen wird.
In der Gesamtheit des Falles wäre diese Annahme jedoch falsch. Der Kläger forderte von der Beklagten es zu unterlassen, das Video weiter auf dem YouTube-Kanal zu zeigen. Der Unterlassungsanspruch stehe dem Kläger laut Gericht aber nicht zu.
Kein wirksamer Unterlassungsanspruch
Ein Anspruch auf Unterlassung gemäß Art. 82 DS-GVO erfordert einen nachweisbaren konkreten Schaden, den der Kläger jedoch nicht ausreichend dargestellt habe (Rn. 26 b). Ein Unterlassungsanspruch gem. Art. 17 Abs. 1 DS-GVO bestehe ebenfalls nicht, weil ein solcher im Falle eines wirksamen Widerrufes nur erwachse, wenn gem. Art. 17 Abs. 1 lit. b DS-GVO keine weitere Rechtsgrundlage für die Verarbeitung als die Einwilligung in Frage komme. Die vier Videos sind im beruflichen Kontext, zur Erfüllung vertraglicher Pflichten entstanden. Damit liegt eine weitere Rechtsgrundlage, Art. 6 Abs. 1 lit. b DS-GVO, für die Verarbeitung vor.
Im Kern hat das Gericht mit dem Hinweisbeschluss also nicht gesagt, dass eine Einwilligung nach der DS-GVO nicht stets widerrufbar sei. Vielmehr stünde dem Kläger im konkreten Fall, selbst wenn ein Widerruf angenommen würde, was das Gericht jedoch weder bejaht noch abgelehnt hat, dem Kläger kein Unterlassungsanspruch zu.
„Nicht“ widerrufbare Einwilligung
Die vom Gericht im vorliegenden Fall als „nicht widerrufbar“ bezeichnete Einwilligung, ist die Einwilligung nach § 22 S. 1 KunstUrhG, nicht die Einwilligung nach Art 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO. Erstere ist grds. bindend, außer es liegen besondere Gründe für einen Widerruf vor. Ebendiese fehlten laut Gericht hier.
Verhältnis KunstUrhG zur DS-GVO
Zum Verhältnis des KunstUrhG zur DS-GVO schrieb das Gericht, dass soweit Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen der DS-GVO geltend gemacht werden, Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche nach nationalem Recht nicht greifen würden. Dies liegt daran, dass die DS-GVO als vollständig harmonisierte europäische Regelung gilt und somit abschließend diese Fragen regelt (Rn. 25 a). Eine abschließende Aussage dazu, wie die beiden Gesetztestexte zueinanderstehen wollte das Gericht, wie oben bereits erwähnt, nicht treffen (Rn. 28).
Fazit
Eine datenschutzrechtliche Einwilligung kann gleichzeitig auch eine Einwilligung nach § 22 S. 1 KunstUrhG sein. Ob diese Einwilligung die Widerrufbarkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung aufhebt, hat das Gericht jedoch offengelassen.
Die Entscheidung, personenbezogene Daten trotz eines Widerrufs weiter zu verwenden, sollte nur nach Absprache mit einer rechtlichen Fachperson getroffen werden. Nach dem Beschluss scheint dies nur dann möglich zu sein, wenn die Verarbeitung auf einer zusätzlichen rechtlichen Grundlage neben der Einwilligung basiert.
Ist die datenschutzrechtliche Einwilligung die alleinige Rechtsgrundlage, lässt der Hinweisbeschluss nicht den Schluss zu, dass trotz eines Widerrufs die weitere Nutzung sich ausschließlich nach dem KunstUrhG richtet.
Wir empfehlen in diesem Fall dem Widerruf Folge zu leisten und die weitere Nutzung der personenbezogenen Daten – in diesem Fall die Veröffentlichung der Videos – zu unterlassen.