Im Fokus stehen eine praxisnahe Umsetzung gesetzlicher Pflichten, der Abbau bürokratischer Hürden sowie der Ausbau digitaler und technologischer Compliance-Strukturen. Für Unternehmen bedeutet das: Sie müssen sich frühzeitig auf neue Regelwerke wie den EU AI Act, das geplante KI-Marktüberwachungsgesetz, arbeitsrechtliche Modernisierungen und transparenzbezogene Berichtspflichten einstellen.
Dieser Beitrag gibt einen strukturierten Überblick über die geplanten Entwicklungen im Compliance-Bereich und zeigt auf, worauf sich Organisationen und Verantwortliche jetzt vorbereiten sollten.
Ergänzend lohnt sich ein Blick auf den Artikel „Ein Ausblick in den Datenschutz während der 21. Legislaturperiode“, der die geplanten Entwicklungen im Datenschutz näher beleuchtet.
Künstliche Intelligenz
Deutschland als KI-Nation (RZ 107)
Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, Deutschland zu einem internationalen Spitzenstandort für KI zu machen. Dafür sollen Forschung, Entwicklung und der Einsatz von KI gezielt gefördert werden, etwa durch Investitionen in Rechenzentren, Supercomputer und KI-Reallabore, in denen Unternehmen neue Anwendungen unter realen Bedingungen testen können.
Bundesministeriums für Digitalisierung und Staatsmodernisierung
Ein zentrales Instrument zur Umsetzung der Vision ist die Einrichtung eines eigenständigen Bundesministeriums für Digitalisierung und Staatsmodernisierung (BMDS), das am 6. Mai 2025 seine Arbeit aufgenommen hat. Das BMDS bündelt erstmals auf Bundesebene zentrale Zuständigkeiten für Digitalisierung, darunter auch die strategische Steuerung von KI-Initiativen. Ziel ist es, die digitale Transformation des Staates voranzutreiben und Deutschland als Innovationsstandort zu stärken.
AI-Act
Die EU hat mit dem AI-Act bereits seit dem 1. August 2024 einen verpflichtenden Rahmen für KI-Systeme geschaffen. Unternehmen müssen KI-Systeme nach Risikoklassen zertifizieren und strenge Anforderungen erfüllen, z. B. im Bezug auf:
- Risikomanagement
- Datenqualität
- Protokollierung
- Dokumentation
Für weitere Informationen zum AI-Act lesen Sie gerne unseren Artikel: https://www.audatis.de/aktuelles/kernelemente-des-ai-act oder hören Sie unseren Podcast: https://www.audatis.de/aktuelles/audatis-dialog-85-eu-ai-act-risikoklassen-und-pflichten-fuer-unternehmen
KI-Marktüberwachungsgesetz
Bis zum 2. August 2025 muss Deutschland ein entsprechendes Durchführungsgesetz für den AI-Act verabschieden. Im Vorfeld wird betont, die KI-Regeln „innovationsfreundlich und bürokratiearm“ anzuwenden und das ohne strengere Auflagen, als sie von der EU ohnehin verlangt werden. Gleichzeitig sollen ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeitsaspekte bei neuen Technologien berücksichtigt und die Sicherheit von KI-Systemen gewährleistet werden. Auch das Haftungsrecht für KI-Anwendungen soll überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.
Der in der letzten Legislaturperiode vorliegende Referentenentwurf für das KI-Marktüberwachungsgesetz (KIMÜG) sieht vor, die Bundesnetzagentur als zentrale Marktüberwachungsbehörde zu etablieren. Diese soll nicht nur als zentrale Anlaufstelle und Beschwerdestelle fungieren, sondern auch die Koordination mit dem EU AI Office übernehmen und die KI-Reallabore betreiben.
Im Koalitionsvertrag gibt es keine explizite Festlegung. Um jedoch eine zersplitterte Aufsichtsstruktur zu vermeiden und eine einheitliche Kontrolle sicherzustellen, spricht vieles dafür, die Zuständigkeiten, wie im vorliegenden KIMÜG vorgesehen, bei der Bundesnetzagentur zu bündeln.
Arbeitsrecht
Betriebliche Mitbestimmung und Gewerkschaften (RZ 579)
Das Betriebsverfassungsgesetz soll modernisiert werden, um digitale Beteiligungsmöglichkeiten für Betriebsräte zu verankern. Geplant ist, dass Betriebsratsarbeit künftig ortsunabhängig erfolgen kann, z. B. durch:
- Online-Betriebsratssitzungen
- Online-Betriebsversammlungen
- Online-Wahlen
Darüber hinaus soll ein digitales Zugangsrecht für Gewerkschaften eingeführt werden. Gewerkschaftsvertreter sollen einfacher und elektronisch Zugang zu den Beschäftigten im Betrieb erhalten. Das Bundesarbeitsgericht hat im Urteil vom 28.01.2025 - 1 AZR 33/24 ein digitales Zugangsrecht bislang verneint.
Öffentliche Aufträge sollen künftig verstärkt an die Einhaltung tariflicher Standards geknüpft werden. Dazu soll ein Bundestariftreuegesetz erarbeitet werden, das klare Anforderungen an die Entlohnung und Arbeitsbedingungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vorsieht.
Arbeitsschutz und Arbeitszeit (RZ 481, 557)
Im Koalitionsvertrag bekennt sich die Bundesregierung zu „hohe[n] Standards im Arbeitsschutz“ und kündigt an, „die Prävention psychischen Erkrankungen [zu] stärken“.
Außerdem sollen die Arbeitszeitregelungen künftig stärker auf Flexibilität und Eigenverantwortung ausgerichtet werden. Statt einer starren täglichen Höchstarbeitszeit soll künftig eine Wochenarbeitszeit als Bezugsrahmen gelten.
Ziel ist es, Arbeitgebern mehr Gestaltungsspielraum zu geben und gleichzeitig den Beschäftigten eine individuellere Verteilung ihrer Arbeitszeit zu ermöglichen. Die Einhaltung gesetzlicher Ruhezeiten soll dabei weiterhin gewährleistet sein.
Darüber hinaus ist eine verpflichtende Einführung einer praxistauglichen und möglichst bürokratiearmen Umsetzung der elektronischen Zeiterfassung vorgesehen. Für KMU sind Übergangsfristen vorgesehen, um die Umstellung zu erleichtern. Die Vertrauensarbeitszeit soll grundsätzlich weiterhin möglich sein.
Viele dieser Punkte entsprechen bereits den Inhalten des Referentenentwurfs zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes.
Bürokratieentlastung
Kassenbonpflicht (RZ 1921)
Die 2020 eingeführte Kassenbon-Pflicht gem. § 146 Abs. 2 AO wird wieder abgeschafft. Stattdessen gilt ab dem 1. Januar 2027 für Unternehmen mit einem Jahresumsatz über 100.000 € eine Pflicht zur Nutzung manipulationssicherer Registrierkassen.
Statistikpflicht (RZ 1923)
Zahlreiche bestehende Statistikpflichten werden ausgesetzt. Überprüft werden dabei insbesondere:
- Außenhandelsstatistikgesetz (AHStatG)
- Gesetz über die Statistik im produzierenden Gewerbe (ProdGewStatG)
- Handels- und Dienstleistungsstatistikgesetz (HdlDlStatG)
Finanzwesen
Kompetenzbündelung statt neuer Behörde (RZ 1543)
Anstatt wie zuvor erwogen eine komplett neue Bundesbehörde zur Geldwäscheaufsicht aufzubauen, sollen die Kompetenzen des Bundes im Bereich Finanzkriminalität innerhalb der bestehenden Behördenstruktur gebündelt werden.
Dies spricht dafür, die Zuständigkeiten bei der bereits eingebundenen Zollverwaltung (Financial Intelligence Unit, Zollfahndung etc.) zu konzentrieren, um Doppelstrukturen zu vermeiden.
Auf europäischer Ebene wird ab 2024 die neue Anti-Money-Laundering-Authority (AMLA) aufgebaut, die in Frankfurt angesiedelt sein wird. Deutschland will den Austausch mit dieser europäischen Geldwäschebehörde verbessern und eng kooperieren. Die AMLA soll für einheitliche Aufsichtsstandards sorgen.
Transparenz (RZ 1550)
Der Koalitionsvertrag 2025 sieht eine Stärkung des Transparenzregisters vor, um bestehende Lücken bei der Erfassung wirtschaftlich Berechtigter zu schließen. Künftig sollen Angaben besser verifiziert und Unternehmen mit Bezug zu Sanktionslisten oder nicht identifizierten Eigentümerstrukturen eindeutig gekennzeichnet werden.
Eine Regelung, die direkt aus dem Koalitionsvertrag entnehmbar ist, ist, dass Transaktionen über 10.000 Euro nicht durchgeführt werden dürfen, wenn sich die wirtschaftlich Berechtigten eines Unternehmens nicht eindeutig feststellen lassen. Dies knüpft an bestehende Sorgfaltspflichten aus dem Geldwäschegesetz (GwG) an. Verpflichtete dürfen keine Geschäftsbeziehungen eingehen oder fortsetzen, wenn sie ihre Prüfpflichten, insbesondere die Feststellung wirtschaftlich Berechtigter, nicht erfüllen können gem. § 10 Abs. 9 GwG.
Umweltrecht und Nachhaltigkeit
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) (RZ 1909)
Das LkSG, welches erst seit 2023 in Kraft ist, soll abgeschafft und durch ein neues Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung ersetzt werden. Dieses neue Regelwerk wird die kommende EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) identisch und ohne zusätzlichen bürokratischen Aufwand in deutsches Recht übertragen. Damit verzichtet Deutschland auf Sonderwege bei sozialen und ökologischen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette und setzt stattdessen auf einen europaweit einheitlichen Rahmen.
Bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes sollen Verstöße gegen das LkSG, außer bei gravierenden Menschenrechtsverletzungen, nicht sanktioniert werden. Zudem hat die Koalition angekündigt, die Berichtspflicht nach dem bisherigen LkSG sofort auszusetzen, sodass betroffene Firmen vorerst keine Berichte über ihre Lieferketten-Due-Diligence mehr vorlegen müssen.
Diese kurzfristige Entlastung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit dem neuen Gesetz weiterhin umfassende Sorgfaltspflichten auf Unternehmen zukommen könnten.
Energie (RZ 1918)
Im Klima- und Energiebereich sollen bestehende Auflagen vereinfacht, verschlankt und auf das erforderliche EU-Niveau zurückgeführt werden. Überarbeitet werden das:
Umweltkriminalität (RZ 2869)
Die Verfolgung von Verstößen gegen Umweltauflagen (z. B. illegale Abfallentsorgung, Gewässerverschmutzung) soll intensiviert und besser koordiniert werden. Für Unternehmen bedeutet dies eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass umweltrechtliche Compliance-Verstöße entdeckt und geahndet werden, bis hin zu strafrechtlichen Konsequenzen bei gravierenden Fällen.
Wettbewerbsrecht
Digital Markets Act (DMA) (RZ 322)
Die Bundesregierung bekennt sich im Koalitionsvertrag zur wirksamen Durchsetzung des europäischen DMA, der seit März 2024 voll anwendbar ist.
Der DMA zielt darauf ab, die Marktmacht großer digitaler Plattformen sogenannter Gatekeeper/Torwächter zu begrenzen und fairere Wettbewerbsbedingungen im digitalen Raum zu schaffen.
Unternehmen, die unter den DMA fallen, unterliegen weitreichenden Pflichten, etwa zur:
- Datenportabilität
- Verbot der Selbstbevorzugung eigener Dienste
- Transparenz bei Rankings und Werbemodellen
Auch Unternehmen, die Plattformen wie etwa große Online-Marktplätze für Vertrieb, Werbung oder Datenanalyse nutzen, sind mittelbar von den neuen Vorgaben betroffen. Besonders im Bereich des Datenschutzes müssen sie sich auf strengere Anforderungen einstellen, die die Gatekeeper zur Einhaltung des DMA festlegen.
Quellen:
https://www.koalitionsvertrag2025.de/sites/www.koalitionsvertrag2025.de/files/koav_2025.pdf
https://bmds.bund.de/ministerium/das-bmds-stellt-sich-vor
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/digitales/digital-markets-act-eu-100.html