Ich entscheide mich für die Bezahlung mit meinen personenbezogenen Daten, informiere mich über die Details zum Tracking und klicke das entsprechende Feld für eine Einwilligung an. Der gewünschte Beitrag wird mir angezeigt, gut platziert zwischen zahlreichen Werbeeinblendungen, Videos und Dingen, die ich vielleicht nicht brauche. Auch wenn mir das nicht gefällt, aber ich hatte die Wahl. Hätte ich mich für die Bezahlversion entschieden, wären richtigerweise nur die Daten erhoben worden, die für die Abwicklung des Bezahlvorganges und die Darstellung des Inhaltes erforderlich gewesen wären.
Da ich mich aber für die kostenfreie Auslieferung entschieden und mit meinen Daten bezahlt habe, stellt sich für mich die Frage, ob denn diese Einwilligung den Anspruch der Freiwilligkeit gem. DS-GVO erfüllt?
„Handelt es sich wirklich um eine freiwillige Einwilligung, wenn die angebotene Alternative verhältnismäßig teuer ist? Häufig kosten die Pur-Abos vier oder fünf Euro im Monat. Wer also mehrere Nachrichtenseiten ohne Tracking konsumieren möchte, käme schnell auf 30 Euro im Monat oder mehr an regelmäßigen Kosten. In den vergangenen Jahren waren deshalb vermehrt Beschwerden bei den deutschen Aufsichtsbehörden eingegangen, unter anderem von der Datenschutzorganisation NOYB“ (netzpolitik.org, 30.03.2023).
Nun hat sich die Datenschutzkonferenz (DSK) am 22.03.2023 mit der Thematik auseinandergesetzt. Bei der DSK handelt es sich um den Zusammenschluss der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder.
Im nun vorliegenden Beschluss werden klare Regelungen zu diesen „Pur-Abo-Modellen“ bewertet:
- Das Tracking – also die Verfolgung meines Nutzerverhaltens – kann auf eine Einwilligung gestützt werden, wenn alternativ ein trackingfreies Modell angeboten wird, auch wenn dies mit Kosten verbunden ist. Und ergänzend: Die Leistung bei dem Bezahlmodell muss jedoch eine gleichwertige Alternative zu der Leistung darstellen, die die Nutzenden durch eine Einwilligung bei der kostenfreien Alternative erlangen. Soweit mehrere Verarbeitungszwecke vorliegen, müssen Einwilligungen granular erteilt werden können.
- Ob die Bezahlmöglichkeit eine gleichwertige Alternative zur Einwilligung in das Tracking darstellt, hängt davon ab, ob den Nutzenden gegen ein marktübliches Entgelt ein gleichwertiger Zugang zu derselben Leistung eröffnet wird. Stelle sich die Frage, was ist in diesem Fall marktüblich?
- Wenn Nutzende das trackingfreie Angebot annehmen – also für die Bereitstellung der Information zahlen – dürfen ausschließlich Nutzerdaten ausgelesen werden, die für die Bereitstellung des Dienstes unbedingt erforderlich sind. (§ 25 Abs. 1 TTDSG).
Sollten weitere Daten erhoben und verarbeitet werden muss ein Erlaubnistatbestand gem. Art. 6 DS-GVO erfüllt sein und eine Einwilligung erhoben werden. - Entscheidet sich der Nutzer für das kostenfreie Modell mit Werbung sind die gesetzlichen Vorgaben für eine Einwilligung zu beachten. Hier geht von der DSK insbesondere der Hinweis, dass Nutzende die Möglichkeit haben müssen, die einzelnen Zwecke, zu denen die Einwilligung eingeholt werden soll, aktiv selbst auswählen zu können (Opt-in).
Eine pauschale Gesamteinwilligung in verschiedene Zwecke kann nicht wirksam erteilt werden.
„Die Datenschutzbehörden scheinen sich vor der Frage der Freiwilligkeit zu drücken. Sie geben allerdings eine implizite Antwort, indem sie lediglich zwei Kriterien aufstellen, damit Pur-Abos als „gleichwertige Alternative“ zum Lesen mit Tracking anzusehen sind: Zum einen müssten die Pur-Variante und die Tracking-Variante „dem Grunde nach der gleichen Leistung umfassen“. Zum anderen muss das Entgelt für die datenschutzfreundliche Alternative marktüblich sein“. (netzpolitik.org, 30.03.2023).
In einem Test von netzpolitik.org aus dem Jahr 2020 (https://netzpolitik.org/2020/nicht-ganz-ohne) wurde untersucht, inwieweit die Bezahlmodelle tatsächlich auf das Tracking verzichten. Im Visier waren bei diesem Test der SPIEGEL, ZEIT ONLINE, STANDARD. Die österreichische Nachrichtenseite (standard.at) führte 2019 als erstes deutschsprachiges Medium ein werbe- und trackingfreies Abo ein und besteht den Test unter den Dreien auch als einziges Medium, bei dem der Name „PUR“ zutrifft: Der Server sendet nur die eigene Website und bindet dabei externe Content-Hister ein, die aber keine Cookies und Nutzerdaten erhalten.
An der Goethe-Universität Frankfurt forscht Timo Müller-Tribbensee in einem EU-geförderten Projekt zu Pur Abos und beschäftigt sich insbesondere mit der Frage des Preis-Kriteriums. Müller-Tribensee stellt fest: „Die Preise orientieren sich nicht an dem, was die Verlage mit Targeted Advertising einnehmen, so Müller-Tribbensee. Die durchschnittlichen Werbeeinnahmen pro Nutzenden und Monat lägen schätzungsweise bei unter 10 Cent“.
„Wenn man beurteilen möchte, ob Pur-Abos eine gleichwertige Alternative sind, könnte man also danach fragen, ob diese Preise angemessen sind. Doch für die Datenschutzbehörden scheint diese Frage nicht relevant zu sein. Sie setzen in ihrem Beschluss lediglich voraus, dass die Preise marktüblich sein müssen. Das heißt: Sie müssen dem entsprechen, was andere Medien nehmen. Die Preisspanne am Markt liege zwischen zwei und zehn Euro, sagt Timo Müller-Tribbensee“ (netzpolitik.org, 30.03.2023).
Bei der Recherche zu diesem Artikel fiel dem Autor zeitgleich ein Angebot einer großen deutschen Tageszeitung auf:
„Lesen Sie unsere Artikel auf FAZ.NET und in unseren News-Apps sowie F.A.Z. Der Tag fokussiert ohne Werbung und ohne Werbetracking. Mit dem neuen Angebot F.A.Z. Pur – mit Abo für 2,99/Monat, ohne Abo für 4,99/Monat – auf die Alternative mit Einwilligung und Werbetracking wird verzichtet“.… Man muss es sich leisten können.
„Nach unseren Forschungserkenntnissen nutzen weniger als ein Prozent der Besucher von Nachrichtenseiten ein Pur-Abo“, so Timo Müller-Tribbensee.
Es bleibt die Frage, wie es denn nun tatsächlich mit den Alternativen aussieht.