Das Bürokratieentlastungsgesetz: Hintergrund und Bedeutung
Das Bürokratieentlastungsgesetz IV (https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/RegE/RegE_BEG_IV.pdf?__blob=publicationFile&v=2) ist Teil einer langfristigen Strategie der Bundesregierung, um Unternehmen von unnötigem Verwaltungsaufwand zu entlasten. Bereits zuvor wurden drei ähnliche Gesetze verabschiedet:
- Bürokratieentlastungsgesetz I (2015): Zielte auf die Entlastung kleiner Unternehmen ab, beispielsweise durch vereinfachte Meldesysteme für Sozialversicherungen.
- Bürokratieentlastungsgesetz II (2017): Führte unter anderem Erleichterungen bei der elektronischen Rechnungsstellung ein.
- Bürokratieentlastungsgesetz III (2020): Konzentrierte sich auf digitale Verwaltungsprozesse, wie die vereinfachte Steuererklärung für Kleinstunternehmen.
Mit dem BEG IV wird nun ein weiterer Schritt zur Bürokratieentlastung unternommen. Zu beachten gilt, dass mit dem BEG IV beschlossene Änderungen anderer Gesetze, in sich bereits die Gesetzesänderung darstellen. Eine direkte Änderung des bspw. Handelsgesetzes (HGB) ist nicht zwingend erforderlich, da die neuen Regelungen des BEG IV über spezielle Verordnungen umgesetzt werden.
Verkürzte Aufbewahrungsfristen
Eine der zentralen Neuerungen des BEG IV betrifft die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für geschäftliche Unterlagen. Folgende Änderungen wurden beschlossen:
- Bücher und Aufzeichnungen, Inventare etc.: Die Aufbewahrungsfrist nach § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB und § 147 Abs. 3 Satz 1 AO (die in Abs. 1 Nr. 1 und 4a aufgeführten Unterlagen) bleibt bei 10 Jahren.
- Buchungsbelege: Die Aufbewahrungspflicht für Buchungsbelege (§ 147 Abs. 1 Nr. 4 AO, § 257 Abs. 1 Nr. 4 HGB) wird verkürzt auf 8 Jahre.
- Sonstige Unterlagen: Die Aufbewahrungsfrist für sonstige Unterlagen in § 147 Abs. 1 AO, § 257 Abs. 1 HGB liegt bei 6 Jahren, sofern nicht in anderen Steuergesetzen kürzere Aufbewahrungsfristen zugelassen sind.
Die Änderungen zur verkürzten Aufbewahrungspflicht nach dem HGB (§ 257 Abs. 4) und der AO (§ 147 Abs. 3 Satz 1) gelten für Unterlagen, deren Aufbewahrungsfrist nach den bisherigen Regelungen (10 bzw. 6 Jahre) am 1. Januar 2025 noch nicht abgelaufen ist. Das bedeutet, dass die neuen Fristen für alle Unterlagen angewendet werden, die nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderungen erstellt werden, oder für die die alten Fristen zu diesem Zeitpunkt noch laufen.
Handlungsempfehlung:
- Überarbeitung der Archivierungs- und Löschkonzepte.
- Überarbeitung der Verzeichnisse für Verarbeitungstätigkeiten, sofern diese Löschfristen abbilden.
- Überarbeitung der Informationspflichten, sofern in diesen konkrete Löschfristen benannt wurden.
Änderungen des Nachweisgesetzes – Elektronischer Arbeitsvertrag
Das Nachweisgesetz (NachwG) wurde mit dem Ziel geändert, die Beschäftigungsbedingungen für Arbeitnehmer transparenter und leichter nachvollziehbar zu gestalten. Eine der wesentlichen Neuerungen ist die Erleichterung der Formvorschriften für den Nachweis der Arbeitsbedingungen, die nunmehr auch in Textform erfolgen können. Diese Änderungen bringen vor allem für digital arbeitende Unternehmen eine erhebliche Vereinfachung. Im Folgenden die wichtigsten Änderungen im Nachweisgesetz:
- Nachweis der Arbeitsbedingungen in Textform: Künftig können die wesentlichen Arbeitsbedingungen gemäß § 2 NachwG in Textform erfasst und elektronisch an den Arbeitnehmer übermittelt werden. Zuvor war dies nur in Schriftform ("wet ink") möglich, wobei elektronische Nachweise ausdrücklich ausgeschlossen waren.
- Voraussetzungen für die elektronische Übermittlung:
- Der Arbeitnehmer muss Zugriff auf das Dokument haben.
- Das Dokument muss gespeichert und bei Bedarf ausgedruckt werden können.
- Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer auffordern, einen Empfangsnachweis zu bestätigen.
- Ausnahme für bestimmte Sektoren: Unternehmen, die in Sektoren tätig sind, die besonders von Schwarzarbeit betroffen sind (z.B. Bau- und Gastgewerbe), müssen weiterhin die Arbeitsbedingungen in schriftlicher Form übermitteln.
- Pflicht zur schriftlichen Mitteilung bei Änderungen: Änderungen der Arbeitsbedingungen müssen weiterhin spätestens am Tag ihres Inkrafttretens mitgeteilt werden. Zukünftig ist dies auch in Textform möglich, sofern der Arbeitnehmer nicht ausdrücklich die schriftliche Form verlangt. Die Mitteilungspflicht entfällt, wenn die Änderung bereits in einem schriftlichen oder in Textform geschlossenen Änderungsvertrag geregelt wurde.
Diese Änderungen treten ab dem 1. Juli 2025 in Kraft.
Die Änderungen des NachwG sind ein wichtiger Schritt in Richtung Digitalisierung von Arbeitsverhältnissen. Vor allem für Arbeitsverhältnisse, bei denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht am gleichen Ort tätig sind, wird der Prozess erheblich vereinfacht. Vorsicht ist jedoch geboten bei Befristungsvereinbarungen, da diese weiterhin schriftlich erfolgen müssen (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Ein Arbeitsvertrag, der neben den Arbeitsbedingungen nach dem NachwG auch eine Befristung enthält, muss daher in jedem Fall in Schriftform abgeschlossen werden.
Handlungsempfehlung:
- Arbeitgeber müssen technische und organisatorische Maßnahmen ergreifen, um die Sicherheit der Daten bei der elektronischen Übermittlung zu gewährleisten, z.B. durch verschlüsselte E-Mails oder gesicherte Upload-Links (Art. 32 DS-GVO (Sicherheit der Verarbeitung)). Die zur Übermittlung verwendeten technischen und organisatorischen Maßnahmen sollten zwingend dokumentiert werden ((Art. 5 Abs. 2 DS-GVO (Rechenschaftspflicht)).
- Datenschutzkonforme Archivierungslösung implementieren.
- Vorgang ins Löschkonzept aufnehmen.
Neue Löschpflichten bei digitalen Prozessen
Im Bereich der digitalen Prozesse soll exemplarisch die digitale Fluggastabfertigung hervorgehoben werden. Bei der digitalen Fluggastabfertigung entfällt die Vorlage der physischen Dokumente fast vollständig. Stattdessen wird an den verschiedenen Kontrollpunkten das biometrische Muster des dort erfassten Gesichtsbildes des Fluggastes mit dem zu Beginn aufgenommenen biometrischen Muster abgeglichen, das zuvor mit dem Passfoto verglichen wurde. Der Verzicht auf die Dokumentenkontrolle an den einzelnen Prozesspunkten soll zu einer Beschleunigung und Vereinfachung der Abfertigungs- und Kontrollprozesse führen.
Regelungen durch das BEG IV:
- Lichtbilder für biometrische Muster: Diese sind sofort nach Erstellung des biometrischen Musters zu löschen (§ 19d Abs. 1 Satz 3 LuftVG-E in Verbindung mit § 18 Abs. 7 PassG-E).
- Passdaten und andere Fluggastinformationen: Die Speicherung der biometrischen Muster erfolgt nur temporär und ausschließlich für die Dauer der Abfertigung. Nach Abschluss des Prozesses müssen sämtliche Daten unverzüglich gelöscht werden (§ 19d Abs. 1 Satz 3 LuftVG-E).
- Einwilligungserfordernis: Die Nutzung der digitalen Fluggastabfertigung setzt die ausdrückliche Einwilligung der Fluggäste voraus (§ 19d Abs. 1 Satz 3 LuftVG-E). Diese Einwilligung gewährleistet die Freiwilligkeit und Transparenz des Verfahrens.
Diese Regelung tritt ab dem 1. Juli 2025 in Kraft.
Handlungsempfehlung:
- Airlines und Dienstleister müssen ihre IT-Systeme entsprechend anpassen, um die temporäre Speicherung zu gewährleisten.
- Rechtskonforme Einwilligungen nach den Voraussetzungen der Art. 12 ff DS-GVO einholen.
- Einwilligungen dokumentieren.
Datenschutzkonforme Datenbanken: Neue Anforderungen an Vollmachtsdatenbanken
Das BEG IV bringt erhebliche Änderungen im Bereich der Verwaltung von Vollmachtsdaten mit sich. Steuerberater können damit in Zukunft Generalvollmachten im Bereich der sozialen Sicherung zentral hinterlegen. Die Bundessteuerberaterkammer hat nach § 85a Abs. 1 und 2 StBerG insbesondere die folgenden neuen Aufgaben:
- Einrichtung und Betrieb einer Vollmachtsdatenbank: Bundessteuerberaterkammern sind verpflichtet, eine Datenbank zur Verwaltung von Vollmachtsdaten gemäß § 80a AO einzurichten. Diese Datenbank dient der Übermittlung der Vollmachtsdaten an die Landesfinanzbehörden.
- Erweiterung der Aufgaben auf Sozialversicherungsbelange: Zusätzlich wird eine Vollmachtsdatenbank für sozialversicherungsrechtliche Zwecke gemäß § 105a Abs. 2 SGB IV eingerichtet. Diese Datenbank ermöglicht die Bereitstellung von Vollmachtsdaten an die in § 105a Abs. 5 SGB IV genannten Stellen.
- Verstärkte Datenschutzanforderungen: Die Datenbanken müssen den Vorgaben der DS-GVO und weiterer einschlägiger Gesetze entsprechen, einschließlich strenger Zugriffs- und Löschregelungen.
Diese Neuerung wird ab dem 1. Januar 2025 verbindlich.
Handlungsempfehlung:
- Werden beschriebene Datenbanken genutzt muss sichergestellt sein, dass Vorgaben der DS-GVO erfüllt sind. Besondere Aufmerksamkeit ist dabei auf Zugriffsrechte zu legen.
Reduzierte Datenerhebung: Hotelmeldedaten
Eine weitere Änderung betrifft die Erhebung und Speicherung von Meldedaten in der Hotelbranche. Für deutsche Gäste entfällt die bisherige Pflicht zur Speicherung von Meldedaten komplett, wodurch das Risiko von Datenschutzverletzungen verringert wird. Lediglich bei internationalen Gästen bleibt die Erfassung weiterhin notwendig (§ 29 Abs. 2 BMG).
Diese Regelung tritt am 1. Januar 2025 in Kraft.
Handlungsempfehlung:
- Anpassung der Check-In-Prozesse, um die Datenspeicherung auf ein notwendiges Minimum zu reduzieren.
Fazit
Das Bürokratieentlastungsgesetz IV bringt mit seinen Änderungen im Datenschutz und der Bürokratieentlastung zahlreiche Chancen, jedoch auch erhebliche Herausforderungen mit sich. Die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen nach AO und HGB beispielsweise erfordert eine umfassende Überarbeitung bestehender Archivierungs- und Löschkonzepte. Unternehmen müssen ihre Verzeichnisse für Verarbeitungstätigkeiten anpassen, um die neuen Fristen abzubilden, und gleichzeitig sicherstellen, dass bereits archivierte Unterlagen, deren ursprüngliche Frist noch nicht abgelaufen ist, rechtzeitig geprüft und gelöscht werden. Dieser Prozess kann mit erheblichem Aufwand verbunden sein, insbesondere für Unternehmen, die bisher von längeren Fristen ausgegangen sind.
Die Änderungen im Nachweisgesetz bieten viele Vorteile für die Digitalisierung von Arbeitsverhältnissen. Es ist jedoch wichtig, die datenschutzrechtlichen Vorgaben zu beachten, um rechtliche Risiken zu vermeiden und die Integrität der übermittelten Informationen zu gewährleisten.
Insgesamt zeigt das BEG IV deutlich, dass Bürokratieabbau und Digitalisierung eng miteinander verbunden sind. Jedoch benötigen Unternehmen ausreichende Zeit und Ressourcen, um die neuen Anforderungen erfolgreich und datenschutzkonform umzusetzen. Die Bundesregierung und zuständige Behörden sollten Unternehmen hierbei durch klare Leitlinien und praktische Unterstützung begleiten, um den Übergang möglichst reibungslos zu gestalten.