Die veröffentlichten Leitlinien des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bringen mehr Klarheit darüber, wen das Gesetz tatsächlich betrifft und wen nicht.
Klare Grenzen: Der BFSG-Anwendungsbereich ist abschließend geregelt
Das BFSG enthält in § 1 Abs. 2 und 3 eine abschließende Aufzählung aller Produkte und Dienstleistungen, die unter den gesetzlichen Pflichtenkatalog fallen. Unternehmen, deren Angebote nicht unter die dort benannten Kategorien fallen, sind nicht verpflichtet, die gesetzlichen Barrierefreiheitsanforderungen umzusetzen. Eine freiwillige Umsetzung bleibt selbstverständlich möglich und kann aus strategischer Sicht durchaus sinnvoll sein.
Folgende Bereiche sind nach derzeitiger Gesetzeslage vom BFSG erfasst:
- Selbstbedienungsterminals (z. B. Fahrkartenautomaten, Geldautomaten)
- Telekommunikationsdienste
- Elektronische Kommunikationsmittel im Personenverkehr (Webseiten, mobile Apps, Echtzeitinformationen)
- Bankdienstleistungen für Verbraucher
- E-Books und entsprechende Lesesoftware
- Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr
Maßgeblich ist dabei stets, ob die Angebote sich an Verbraucher richten und nach dem Stichtag bereitgestellt werden.
Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr – ein zentraler Auslöser
Besondere Bedeutung kommt der Kategorie „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ zu. Bezugnehmend auf das BFSG und die veröffentlichten Leitlinien, fallen darunter alle digitalen Dienstleistungen, die online erbracht werden, in der Regel entgeltlich sind und auf individuelle Anforderung von Verbraucherinnen und Verbrauchern erfolgen. In der Praxis betrifft dies vor allem Websites oder mobile Anwendungen mit:
- Buchungsfunktionen (z. B. Friseurtermine, Beratungsgespräche, Schulungsangebote)
- Online-Verkaufsprozesse (z. B. Webshops)
- Vertragsabschlüssen (z. B. Software-Abos, E-Learning-Plattformen)
Die entscheidende Abgrenzung: Es geht nicht um die bloße Information über ein Angebot, sondern um aktive, digitale Vertragsschlüsse oder Transaktionen.
Ein Beispiel aus den Leitlinien macht dies deutlich: Ein Friseursalon, der über seine Website sowohl Haarpflegeprodukte verkauft als auch Terminbuchungen ermöglicht und dabei kein Kleinstunternehmen ist, fällt unter den Anwendungsbereich des BFSG. Der Grund: Beide Funktionen stellen elektronische Dienstleistungen dar, die individuell angefordert werden können und dem Abschluss eines Vertrages dienen.
Ausnahmen: Kleinstunternehmen
Nicht jeder Anbieter digitaler Dienste ist betroffen. Das Gesetz sieht eine Ausnahme für Kleinstunternehmen vor, die Dienstleistungen erbringen. Hier greift § 2 Nr. 17 BFSG: Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz oder einer Bilanzsumme unter zwei Millionen Euro sind von der Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung ihrer Dienstleistungen ausgenommen.
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Gerade für Anbieter digitaler Dienstleistungen mit Bezug zum Verbrauchermarkt empfiehlt sich eine frühzeitige Prüfung der eigenen Geschäftsmodelle. Folgende Schritte sollten vorbereitet werden:
- Anwendungsbereich prüfen: Liegt ein digitales Angebot vor, das unter die BFSG-Kategorien fällt? Gibt es Buchungs-, Verkaufs- oder Vertragsschlussfunktionen?
- Ausnahmen evaluieren: Handelt es sich um ein Kleinstunternehmen?
- Barrierefreiheit strategisch einplanen: Unabhängig von der Pflicht – barrierefreie Angebote erhöhen Reichweite, Nutzerfreundlichkeit und Markenwert.
- Technische Umsetzung starten: Barrierefreiheit erfordert strukturelle Änderungen – nicht bloß kosmetische Korrekturen oder Overlay-Tools. Dazu mehr in unserem Beitrag „Overlay-Tools & BFSG-konforme Gestaltung: Ein Überblick “.
- Datenschutz mitdenken: Digitale Barrierefreiheit muss DS-GVO-konform umgesetzt werden – insbesondere bei Einbindung externer Tools oder assistiver Systeme.
Fazit
Das BFSG markiert einen bedeutenden Schritt in Richtung digitale Inklusion. Der Anwendungsbereich ist klar umrissen – was für die Rechtssicherheit sorgt, aber auch gezielte Vorbereitung erfordert. Unternehmen, die digitale Dienstleistungen bereitstellen, sollten frühzeitig Klarheit über ihre Pflichten gewinnen und geeignete Maßnahmen einleiten.