Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat in einem Urteil vom 06.07.20225, Az.: 8 Sa 1150/20 entschieden, dass Beweise aus unzulässiger Videoüberwachung im Zusammenhang mit einer Kündigung nicht zulässig seien.
Sachverhalt
Ein Arbeitnehmer hatte Klage eingereicht, nachdem er wegen eines angeblichen Arbeitszeitbetrugs gekündigt worden war. Die Beklagte war in diesem Fall der Arbeitgeber des Klägers. Dieser hatte „Beweise“ aus Videoüberwachungen am Eingang des Werksgeländes herangezogen, um den Arbeitszeitbetrug des Klägers zu beweisen.
Entscheidung des LAG
Das LAG entschied jedoch, dass die Kameras rechtswidrig installiert worden seien und ihre Aufzeichnungen nicht als Beweise herangezogen werden könnten. Eine Kündigung in Folge der aus den Aufnahmen gewonnenen Informationen war demnach rechtswidrig.
Es stünden andere Mittel zur Verfügung, die Anwesenheit zu dokumentieren, wie beispielsweise eine Anwesenheitserfassung durch den Vorgesetzten oder ein Stempelkartensystem. Das LAG beurteilte die Videoüberwachung schließlich als nicht angemessen, da die Intensität des Eingriffs nicht im Verhältnis zu den Gründen, die sie rechtfertigen, stehe.
Laut dem LAG veränderte sich die Sachlage auch nicht dadurch, dass die Überwachungskameras des Arbeitgebers, darauf abzielten, den Zutritt von Unbefugten auf das Werksgelände zu verhindern und Eigentumsdelikte zu beweisen.
Rechtmäßige Videoüberwachung nach Vorgaben der DS-GVO
Wenn die Aufzeichnungen einer Videokamera Verbindungen zu einer Person aufweisen und diese Person direkt oder indirekt identifiziert werden kann, gelten die Vorgaben der DS-GVO. Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. b) DS-GVO muss der Zweck der Verarbeitung vor dem Einsatz von Videoüberwachung genau festgelegt werden. Dies kann u.a. der Schutz von Eigentum und anderen Vermögenswerten, der Schutz des Lebens und der körperlichen Integrität von Individuen oder die Erhebung von Beweismitteln zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche sein. Die Verwendungszwecke müssen schriftlich dokumentiert und für jede Überwachungskamera spezifisch festgelegt werden.
Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung
Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten bei der Videoüberwachung kann grundsätzlich jede der Varianten des Art. 6 DS-GVO sein, in der Praxis wird jedoch meist auf das berechtigte Interesse gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO zurückgegriffen.
Berechtigtes Interesse
Berechtigte Interessen können rechtliche, wirtschaftliche oder immaterielle Interessen sein. Zum Beispiel kann der Zweck, Eigentum vor Einbruch, Diebstahl oder Vandalismus zu schützen, bei Vorliegen einer tatsächlichen Gefährdungslage ein berechtigtes Interesse an einer Videoüberwachung darstellen.
Das Interesse muss dabei tatsächlich und akut bestehen. Es darf nicht fiktiv oder spekulativ sein. Daher muss vor der Überwachung eine echte Gefährdungslage vorliegen, zum Beispiel durch Schäden oder schwere Vorfälle in der Vergangenheit. Die Dokumentation dieser Vorfälle kann als Indiz für das Vorliegen eines berechtigten Interesses dienen. Lediglich an bestimmten Orten, wie Banken oder Geschäften mit wertvollen Waren oder Orten mit hohem Eigentumsdeliktrisiko (z.B. Tankstellen), sind Risiken unbestreitbar.
Geeignetheit und Angemessenheit
Der Verantwortliche muss sicherstellen, dass die Maßnahme der Videoüberwachung zur Erreichung des gewünschten Zwecks geeignet und angemessen ist. Sollte das Ziel auf andere, weniger einschneidende Weise erreicht werden können, so ist von der Videoüberwachung abzusehen. Zum Beispiel können mildere Mittel wie Pförtner, verbesserte Beleuchtung oder Umzäunung des Grundstücks bei der Verhinderung von Eigentumsdelikten hilfreich sein. Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO muss in jedem Fall eine Abwägung der Interessen durchgeführt werden.
Informationspflichten
Weiter müssen Verantwortliche ihrer Informationspflicht nachkommen. Hierfür kann eine gestufte Informationsbereitstellung verwendet werden.
In der ersten Stufe wird ein Hinweisschild platziert, das durch ein Bildsymbol die Videoüberwachung verdeutlichen kann und auf dem die wichtigsten Informationen über die Videoüberwachung, wie Zweck, Verantwortliche und betroffene Personenrechte, zusammengefasst werden. Das Hinweisschild muss so positioniert sein, dass es von der betroffenen Person vor Betritt des überwachten Bereiches wahrgenommen werden kann und eine Einschätzung des erfassten Bereichs ermöglicht.
In der zweiten Stufe sollten weitere obligatorische Informationen zur Verarbeitung bereitgestellt werden. Diese müssen für die betroffene Person ebenfalls leicht zugänglich sein, ohne den überwachten Bereich betreten zu müssen. Auf dem Hinweisschild der ersten Stufe muss auf diese Informationen verwiesen werden.
Personenbezogene Daten dürfen gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c) und e) DS-GVO nur so lange gespeichert werden, wie es für die Zwecke, für die sie verarbeitet werden, erforderlich ist. Üblicherweise werden Schäden innerhalb von 48 Stunden erkannt, weshalb Daten automatisch nach diesem Zeitraum gelöscht werden sollten. Bei Schließzeiten an Wochenenden kann jedoch auch eine Speicherfrist von 72 Stunden angemessen sein. Grundsätzlich gilt, je länger die Speicherfrist, desto höher ist die Notwendigkeit, die Rechtmäßigkeit des Zwecks und die Erforderlichkeit zu begründen.
Praxistipp
Eine allgemeine Antwort darauf, welche Formen der Videoüberwachung rechtmäßig sind und welche nicht kann leider nicht gegeben werden. Jede Überwachung muss einzeln bewertet werden, um sicherzustellen, dass sie den geltenden Gesetzen und Bestimmungen entspricht.
Wir empfehlen, sich an einen Datenschutzbeauftragten zu wenden, wenn es Unsicherheiten in Bezug auf die Rechtmäßigkeit einer Videoüberwachung gibt.
Eine Checkliste der Voraussetzungen für die Videoüberwachung sowie weitere Informationen zu dem Thema finden Sie zusätzlich in unserem Artikel: Orientierungshilfe der Datenschutzkonferenz „Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen“.
Quelle:
- Leitlinie 3/2019 zur Verarbeitung personenbezogener Daten, Version 2.0, EDPB